Arbeitnehmende sind nicht dazu verpflichtet, im Rahmen eines Arbeitszeitsystems die Arbeitszeit per Fingerabdruck-Scanner erfassen zu lassen. Da es sich um die Verarbeitung biometrischer Daten handelt, bedarf es der Einwilligung des Arbeitnehmenden, so das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.
Sachverhalt
Der beklagte Arbeitgeber betreibt eine radiologische Praxis. Um eine lückenlos korrekte Zeiterfassung vornehmen zu können, führte der Arbeitgeber ein neues Zeiterfassungssystem ein. Mit diesem System erfolgt eine Identifikation über einen biometrischen Fingerabdruck. Zu Beginn und Ende der Arbeitszeit sollten die Arbeitnehmenden ihren Fingerabdruck auf einem Scanner abgeben, der ausschließlich die sog. Minutien (Koordination der Schnittpunkte) eines Fingerabdrucks speichert. Der Kläger weigerte sich, seine Arbeitszeit auf diesem Wege erfassen zu lassen, woraufhin der Arbeitgeber ihm eine Abmahnung erteilte. Im Rahmen des Klageverfahrens forderte der Kläger die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte.
Entscheidung
Nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg hat der Kläger nicht gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem er die Zeiterfassung mittels eines Fingerabdruck-Scanners verweigerte. Der Arbeitgeber sei dementsprechend zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte des Klägers verpflichtet.
Laut des LAG Berlin-Brandenburg stellte stellt die Erfassung der Fingerlinienverzweigungen eine Verarbeitung personenbezogener, biometrischer Daten dar. Eine solche ist nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 DS-GVO ausnahmsweise zulässig. Die Verarbeitung biometrischer Daten zur Arbeitszeiterfassung bedürfe der Einwilligung des Arbeitnehmenden oder einer entsprechenden Betriebsvereinbarung. Im Übrigen sei sie nicht erforderlich i.S.d. Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO, da alternative Arbeitszeiterfassungssysteme bestünden, wie z. B. Zeitchips / Stechuhren.
Fazit
Insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH vom 14.09.2019 (Az. Rs C 55/18) bezüglich der Verpflichtung der Arbeitgeber zur Zeiterfassung (Siehe auch unser Artikel "Kommt die Stechuhr zurück?!") ist diese Entscheidung von Bedeutung. Spätestens wenn die Bundesregierung die vom EuGH geforderte Gesetzesgrundlage umgesetzt hat, werden Arbeitgeber verlässliche Zeiterfassungssysteme einführen müssen. Das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg lässt darauf schließen, dass im Normalfall die Verarbeitung biometrischer Daten zur Arbeitszeiterfassung der Einwilligung des Arbeitnehmenden oder einer Betriebsvereinbarung bedürfen. Aus der Entscheidung ergibt sich allerdings nicht, dass außerhalb des Normalfalls biometrische Zeiterfassungssysteme generell unzulässig sind. Der Einsatz biometrischer Zeiterfassungssysteme kann nach § 26 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt sein. Allerdings bedarf dies eines besonderen legitimen Ziels, das nicht in der bloßen Arbeitszeiterfassung liegen kann. Besondere Interessen des Arbeitgebers können bspw. bei Verdacht des Arbeitszeitbetruges bestehen oder durch besondere Sicherheitsinteressen eines Unternehmens zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.