Als Ausfluss des verfassungsrechtlich gewährten Anspruchs auf informationelle Selbstbestimmung haben betroffene Personen jederzeit das Recht auf Einsicht in die zu ihrer Person verarbeiten (also gespeicherten) Daten. Diesem Anspruch ist der Gestzgeber auch 2013 mit dem sog. Patientenrechtegesetz nachgekommen und hat dies im § 630 g BGB verankert. Darüber hinaus gewähren natürlich auch die DS-GVO und vor ihr das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) den Betroffenen ein Auskunftsrecht und eine Kopie der Daten. Gemäß § 630 g BGB haben Patienten auch einen Anspruch auf eine elektronische Abschrift ihrer Patientenakte. Nach dem aktuellesten Gerichtsurteil (LG Dresden - 6 = 76/20 vom 29.05.2020) in dieser Frage haben Patienten allerdings das Recht auf kostenlose Bereitstellung Ihrer Patientenakte im PDF-Format.
Hinter diesem Rechtsstreit steht letztendlich die Diskrepanz zwischen § 630 g BGB und der DS-GVO. Das BGB eröffnet den Patienten die Möglichkeit, eine elektronische Kopie der Daten zu verlangen und spricht gleichzeitig der Klinik das Recht auf Kostenerstattung für die elektronische Kopie zu. Dementgegen spricht die DS-GVO den Patienten das Recht auf eine Kopie der verarbeiteten Daten zu, wahlweise auch elektronisch. Dabei hat die DS-GVO das Prinzip des alten BDSG übernommen und verpflichtet den Verantwortlichen (in diesem Urteil die Klinik) beim ersten Auskunftsersuchen des Betroffenen zur Bereitstellung einer kostenlosen Kopie der verarbeiteten Personendaten. Nur für alle weitergehenden Kopien der Personendaten darf eine angemessene Aufwandsentschädigung verlangt werden.
Damit hat das Gericht der Vorrgangigkeit der DS-GVO vor nationalen Normen entsprochen, zumal in der DS-GVO in diesem Artikel keine Öffnungsklausel für abweichende nationale Regelungen besteht. Dies ist nun das erste Urteil, in dem umfänglich der für Kliniken bedeutsamen Diskrepanz zwischen BGB und DS-GVO Rechnung getragen wurde. Für Kliniken, die Mitglied in der Diakonie Deutschlands sind, steht diesbezüglich jedoch in Frage, inwieweit dieses Urteil auch hier anzuwenden ist, da deren zugrundeliegendes Datenschutzgesetz der Evangelischen Kirche Deutschlands (DSG-EKD) kein Recht auf Bereitstellung einer Kopie kennt. Andererseits könnte an dieser Stelle die Gültigkeit des DSG-EKD bezweifelt werden, da die Kirche dem Anspruch der DS-GVO, das Kirchenrecht mit der DS-GVO in Einklang zu bringen, nicht ausreichend nachgekommen ist. Daher ist zu vermuten, dass für diese Fragestellung eher die o. g. richterliche Auslegung des DS-GVO als verbindlich anzunehmen ist.
Da in diesem Urteil primär die Vorrangigkeit der DS-GVO bestätigt wurde, kann daraus grundsätzlich eine Allgemeingültigkeit neben allen Kliniken auch für alle Verantwortlichen in allen Branchen abgeleitet werden. Da nach dieser Rechtsprechung eine Zunahme von Anfragen der Betroffenen zu erwarten ist, empfehle ich daher allen Unternehmen, in denen häufig Anfragen der Betroffenen eingehen könnten und allen Unternehmen, in denen die Bereitstellung von Kopien der verarbeiteten Personendaten derart komplex ist wie in einer Klinik, dafür möglichst automatisierte Funktionen in ihren Softwaresystemen und definierte Abläufe und Entscheidungsprozesse zu etablieren.